Irgend etwas Unvernünftiges sollte man tun, wenn man 50 wird. Wieso nicht die RAAM Quali?
Die Strecke ist 720 km lang und führt von Bern nach Koblenz, in den Schwarzwald, am Bodensee entlang, das Rheintal hinauf bis Sargans, von dort über den Kerenzerberg nach Pfäffikon SZ, dann über Emmenbrücke zurück nach Bern. Dort gibt es noch eine Zusatzschleife über Affoltern i.E.
Ich bin und bleibe ein Randonneur. Das heisst, wichtigstes Ziel ist das Ankommen! Aufgeben, weil man die angestrebte Zeit nicht erreichen kann, ist die schlimmste aller Niederlagen (ultimate failure, plus grand échec). Ehrensache ist es auch, dass man sich nicht unterstützen lässt. Ein Begleitfahrzeug kommt für mich nicht in Frage.
Um sich für das Solo RAAM zu qualifizieren, gelten folgende Zeitlimiten (Qualifikationszeiten):
Die Qualifikationszeiten verstehen sich natürlich als Bruttozeiten, Pausen fürs Essen und anderes sind inklusive. Die Nacht wird durchgefahren.
Mein Ziel ist es innerhalb von 31 h zu bleiben.
Vorbereitung
Lanzarote 14. bis 21.2.2012
Vom kalten Februar bei -20 °C in der Schweiz nach Lanzarote bei +20 °C. Eigentlich sollten im Februar die Hänge von Lanzarote in zartem grün erscheinen, doch diesen Winter hat es nicht geregnet.
Ich bin jeden Tag so etwa zwischen 120 und 140 km gefahen, da kommen schnell noch etwa 2000 Hm dazu. Am besten gefallen haben mir die Strecken von Teguise - Los Valles - Haria - Mirador del Rio und Tinajo - Yaiza - El Golfo. Sehr schön ist auch die LZ207 von Arrieta nach Los Helechos (Karl, danke für den Tip). LZ1 (ausser Orzola-Arrieta), LZ2 und die Umgebung von Arrecife sollte man meiden.
Das Breakaway habe ich vor der Kapelle abgestellt. Dank dem Velo kam ich ins Gespräch mit Tatjana und Karl. (10/11) .
Radmarathon, 300 km Belchen-Brevet, 14. April 2012
Am Start teilte uns Walter Jungwirth mit, dass Jörg Beyreuther verstorben sei. Vor zwei Jahren als ich für die Vorbereitung von PBP den von Jörg organisierten 400 km Radmarathon fuhr, hat er mir von seiner verstorbenen ersten Frau und von seiner Mutter, die von einem 18-Jährigen zu Tode gefahren wurde, geschrieben. Er zeigte mir damit, dass man auch nach harten Schicksalsschlägen das Leben positiv angehen kann.
Nun muss ich auch noch vom tödlichen Unfall von Kurt Lachner Kenntnis nehmen. Er wurde von hinten von einer Autolenkerin überfahren, nur 20 km vor dem Ziel.
Was soll ich jetzt hier noch über das Brevet schreiben? Die Leiden durch das nasskalte Wetter sind in nichts vergleichbar mit dem Leiden, dass nun die Anghörigen von Kurt erfahren werden. Es gibt nichts schlimmeres im Leben, als einen geliebten Menschen zu verlieren. Gott holt immer die Besten zuerst.
Ich reiste wie schon beim Belchen-Brevet am Freitag an und war schon vor 19.00 Uhr im Augustiner, wo sich die Randonneure jeweils am Vorabend treffen. Erstaunlicherweise war ich der erste Randonneur. Doch kurz nachdem ich das Essen bestellt habe, traf Friedrich ein und fragte mich, ob ich schon gehört habe, dass das Brevet nicht durchgeführt werde. Das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald hat die Durchführung der Veranstaltung verboten! Nachdem Walter und andere Randonneure eintrafen, wurde beschlossen, dass eine gemeinsame Gedenkfahrt an den Unfallort von Kurt Lachner durchgeführt wird und das es danach jedem frei steht, eine Radtour zu unternehmen.
Zuerst wollte ich eine Tour auf der Originalstrecke des Vogesen-Brevets durchführen. Doch irgendwie konnte ich mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, in der Nacht zu fahren und frühstens um 24.00 Uhr zurück zu sein. Gemäss der Wetterprognosen wäre in der Nacht das gleiche Wetter wie beim verhägnisvollen Belchen-Brevet zu erwarten gewesen. Ich fahre gerne in der Nacht und auch Regen macht mir nicht viel aus. Doch ich hatte Angst und der Gedanke, dass ein fataler Unfall meine Kinder zu Vollwaisen machen könnte, war unerträglich und hat mich dazu bewogen, so zu fahren, dass ich um etwa um 20.00 Uhr wieder in Freiburg zurück war. So bin ich halt nur etwa 300 km gefahren.
Pässefahrten
Die Wintersperre der Pässe dauerte in diesem Jahr aufgrund der Schneemengen besonders lang. So musste ich halt mit den kleinen wie Sattelegg und Ibergeregg vorlieb nehmen. Dank Giro war das StilfserJoch schon am 25. Mai offen, und auch zu GotthardOberalp, Lukmanier, San Bernardino und zweimal Klausen reichte es trotzdem noch.
Online Tracking
Das Online Tracking ist bereits online: http://alyssatracking.justadi.ch/event/rm2012
Vor dem Start des Rennens bin ich auf der zweitletzen Position. Da hat es noch etwas Luft nach oben. Einzig Walter Walu Lustenberger ist hinter mir platziert.
Bisher gab es die Getränke von Verofit. Die habe ich schlecht vertragen. Nun sind die Getränke aber auch Riegel und Gels von Sponser, die vertrage ich problemlos. Da brauche ich nicht mehr vieles selbst mitzunehmen.
Ausrüstung
Speziell für die RAAM-Quali habe ich mir ein Aero-Rennvelo, das Specialized Venge, angeschafft. Vielleicht ist aber auch so, dass ich die RAAM-Quali fahre, damit ich mir das Venge kaufen konnte. Auf jeden Fall habe ich einen Grund gefunden, ein neues Velo zu kaufen.
Ich hatte schon bei meiner ersten Probefahrt nach 30 km eine Reifenpanne. Normalerweise nehme ich ja immer Ersatzschlauch und Werkzeug mit, doch in meiner Euphorie dachte ich, es wird wohl schon nichts passieren. Zum Glück passierte das Unglück in Meilen, ich konnte dort einfach die Fähre nach Horgen nehmen.
Bei ParisBrestParis2011 habe ich gute Erfahrung mit dem Pneu Schwalbe Durano Plus gemacht. Der ist zwar 25 mm breit und fast 350 g schwer, rollt aber gleich gut wie ein 23 mm Pneu und ist sehr pannensicher. Eine Panne dauert mindestens 10 Min, kann aber schnell auch 30 Min dauern (eine Panne kommt selten allein). Diese Zeit kann man mit einem leichteren Pneu kaum aufholen.
Als Langstrecken-Sattel habe ich auf den altbewährten Brooks Swift zurück gegriffen. Der ist sicher 300 g schwerer als ein moderner Sattel. Doch bei Brooks weiss ich, dass ich problemlos 30 h sitzen kann.
Da ich ja kein Begeleitfahrzeug habe, muss ich das Licht auch mitführen. Bei den kurzen Juni-Nächten reichen etwa 10 h Leuchtdauer. Der Wilma-Scheinwerfer von Lupine ist da genau richtig.
Auf einen Triathlon-Aufsatz verzichte ich. Vermutlich würde so ein Aufsatz 1/2 h vielleicht soger 1 h bringen, doch ich fühle mich sicherer mit einem normalen Rennlenker. Auch auf einen Aero-Helm verzichte ich, ich käme mir damit bei Tempo 25 km/h lächerlich vor.
Die eigentliche Fahrt
Die Ziele habe ich erreicht, zu finishen und unter 30 h zu bleiben. Es war aber wirklich hart, v.a. die hohen Temperaturen machten mir zu schaffen. Es war einiges über 30 Grad und wir mussten in der Mittagshitze losfahren. Möglicherweise war das auch der Grund, dass so viele schon in Koblenz aufgaben. Bei hohen Temperaturen kann ich kaum etwas essen. Auch die Sportgetränke sind auf die Dauer kaum mehr zu ertragen. Wasser, Eistee und verdünnter Apfelmost kann ich aber jederzeit trinken, auch alkoholfreies Bier oder notfalls ein richtiges Bier wirken bei mir Wunder. Ohne Begleitfahrzeug ist die Verfügbarkeit der Getränke begrenzt, glücklicherweise gibt es in der Schweiz eigentlich in jedem Dorf einen Brunnen, oder auch BetreuerInnen von anderen Fahrern, die einem mit Getränken aushelfen (herzlichen Dank an das Team Walter Walu Lustenberger, das Team Patrick Zollinger und das bündner Team!). Wasser hat auch den Vorteil, dass man sich es auch über den Kopf und die Beine schütten kann (statt dass der Körper Schweiss produzieren muss, kann man den Körper direkt mit Wasser abkühlen). Der Flüssigkeitsverlust war enorm, am Morgen vor dem Rennen war ich etwa 73 kg, am darauffolgenden Morgen nach dem Rennen noch immer nur 69 kg.
Aus organisatorischen Gründen fährt man als RAAM-Qualifikant zuerst die 600 km des Brevets und danach noch eine 110 km Zusatzrunde. Teilnehmer des RAAM-Qualis beenden dann häufig das Rennen nach 600 km, wenn sie sich keine Chancen mehr ausrechnen innerhalb der geforderten Zeit zu finishen (es haben nur 28 von 84 Fahrern gefinisht). Wenn ich gewusst hätte, wie hart die Zusatzrunde sein würde, hätte ich wohl auch die Segel gestrichen. Mit leeren Beinen in der Mittagshitze auf Jassbach zu fahren, brachte mich wirklich an mein Limit. Doch die Strecke war sehr schön, und die Helfer in Jassbach so nett, dass ich meinen Entschluss doch nicht bereut habe. Es müssen nicht immer die Alpenpässe sein, ich werde ganz bestimmt auch mal ein paar Tage ferienhalber im Emmental verbringen.
Auch wenn die Startabstände nur 30 s sind, sieht man nur selten Fahrer auf der Strecke. Wenn man sich trifft, dann meist an den Verpflegungsstationen. Als RAAM-Qualifikant darf man ja nicht im Windschatten fahren, und man versucht die Pausenzeiten auf das abolute Minimum zu reduzieren. So habe ich auf der Strecke nur etwa 3 bis 4 Fahrer regelmässig getroffen. Michael, Herbert und Walu: leider hatten wir nur wenig Zeit uns auszutauschen, aber ihr habt mich motiviert, das Rennen fertig zu fahren.
Die ersten wirklichen Probleme hatte ich auf der Strecke Ramsau - Frasnacht. Ich habe mir vorgenommen etwas auf dem Rad zu essen. Normalerweise bringe ich ein Sponsor-Riegel (Oat-Pack) mit ein wenig Wasser problemlos runter, das klappte auch soweit, doch er kam auf dem gleichen Wege zurück. Auch in Frasnacht konnte ich kaum etwas essen, so habe ich zwischen Rorschach und St. Margarethen bei einem Restaurant eine Pause gemacht. Ich wollte ein alkoholfreies Bier trinken. Doch leider hatten sie keins und musste mit einem Diätbier vorlieb nehmen. Originalton: hat auch fast keinen Alkohol. Jedenfalls habe ich mich dann in Widnau bei einer Umleitung verfahren und befand mich dann an der österreichischen Grenze. Dort habe ich einen Wegweiser für Velos Richtung Sargans gesehen. Kurzentschlossen bin ich diesem Wegweiser gefolgt. Doch der Weg wurde immer schlimmer. Ein Randonneur, den ich im Restaurant getroffen habe, fuhr mir nach, verlor dann aber das Vertrauen in meine Navigationskünste und kehrte um (vielleicht wurde ihm auch mein Fluchen zu viel). Ich fuhr dann auf dem Feldweg weiter, immer dem alten Rhein entlang und kam dann in Kriessern wieder auf die Strecke. Den Vorsprung auf Michael und Herbert hatte ich damit in einen Rückstand umgewandelt. Als ich in Sargans ankam waren sie jedenfalls bereits am Spaghetti-Essen. Ich war so ausgepumpt, da ich versucht hatte, den Rückstand aufzuholen und im Föhn-Gegenwind viel zu schnell gefahren bin. Ich musste dann in Sargans eine längere Pause einschalten, bis sich der Magen soweit beruhigt hatte, so dass ich eine Portion Spaghetti essen konnte. Ich habe mich dann gewaschen und umgezogen (man kann am Start ein Gepcäkstück nach Sargans aufgeben). Nun konnte ich losfahren und nach dem Kerenzer Berg fühlte ich wieder richtig gut. Etwa auf höhe Reichenburg habe ich dann Herbert und Michael wieder überholt.
Der Anlass war tadellos organisiert. Doch die Umkleidekabinen des Fussballclubs in Wangen a.A. habe ich vermisst.
Die Infrastruktur ist sehr auf Autofahrer ausgerichtet, kein Wunder, es ist ja auch eine Autobahnraststätte und da kommen naturgemäss nicht so viele Velofahrer vorbei. Duschen kann man zwar kostenlos im Restaurant, aber das ist umständlich. Vermutlich gehöre ich zu der aussterbenden Rasse, die mit öV anreist. Rennvelos sieht man nur sehr selten in den Velowagen der SBB, eigentlich nur Alltagsvelos und MTBs. Alltags- und Rennvelofahrer scheinen sehr unterschiedliche Gruppen zu sein. Ich habe schon gehört, dass wenn man Rennvelos verkaufen möchte, unbedingt einen guten (Auto-)Parkplatz vor dem Geschäft haben muss. Die Gümmeler sehen in dem Rennvelo ein Sportgerät und weniger ein umweltfreundliches Fortbewegungsmittel.
Verbesserungspotential
keine Navigationsfehler ca. 1 h
tiefere Temperaturen ca. 1 h
Betreuungsfahrzeug 1/2 h (kürzere Pausen, weniger Material mitschleppen)
am Limit Fahren 1/2 h (gefährlich)
Material v.a. Aerolenker 1/2 h (ist schwierig einzuschätzen, könnte auch einiges mehr ausmachen)
mehr Training v.a. längere Einheiten 1 h
d.h. es wären etwa 4.5 h möglich, das ergäbe eine Zeit von etwas über 25 h.
-- PeterSchmid - 2012-02-27